Zur Zeit vergriffen
Die Begleitung eines schwerkranken Menschen ist für (pflegende) Angehörige und Freunde oft mit vielen Fragen und Herausforderungen verbunden. Die ökumenische Fachstelle Begleitung in der letzten Lebensphase (BILL) erarbeitete einen Ratgeber, der in dieser aufwühlenden Zeit ein verlässlicher Begleiter ist. Es geht um Fragen der täglichen Pflege, der Sterbebegleitung, aber auch um Anregungen im Umgang mit der eigenen Trauer. Das Buch zeigt, wie (pflegende) Angehörige sich selbst Sorge tragen und wo sie bei Bedarf um Unterstützung nachfragen können. Der Ratgeber wird kostenlos an Interessierte und Betroffene verteilt.
19. März 2018
Spitalseelsorgende im Spannungsfeld unterschiedlichster Erwartungen und Ansprüche
Zwischen Patienten und Angehörigen, zwischen Seelsorgegeheimnis und Teamplay und zwischen dem Wünschenswerten und dem Tatsächlichen: Spitalseelsorgende stehen tagtäglich im Spannungsfeld unterschiedlicher Ansprüche und Erwartungen. Kirstin Lindholm befragte jüngst in den USA 45 Spitalseelsorgende aus Hospizen über die Herausforderungen in ihrem Berufsalltag. Ihre Ergebnisse gaben Anregungen zu den folgenden Gedanken.
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Zwischen vertrauensvollen Beziehungen und begrenzten Möglichkeiten
Seelsorgende sind in ihrem Beruf gefordert, sich innerhalb einer kurzen Zeit einen verlässlichen und vertrauensvollen Zugang zu ihrem Gegenüber aufzubauen. Die Aufenthaltszeiten von Patienten und Patientinnen sind kurz, die Betroffenen haben nur begrenzte Ressourcen und Kräfte oder das Leben geht dem Ende entgegen. Dies gelingt oft und kranke Menschen und ihre Angehörigen vertrauen Seelsorgenden viel schnell Persönliches an oder sprechen über Dinge, über welche sie bisweilen mit niemandem oder ganz wenigen Menschen gesprochen haben. Das tut gut und führt mitunter dazu, dass Patienten sich wünschen, diesen Kontakt auch nach dem stationären Aufenthalt fortzusetzen, wenn sie beispielsweise wieder zu Hause sind. Oder Angehörige hoffen, dass der Seelsorgende die Abdankung durchführt und sie durch die Trauer begleitet, nachdem der Patient/ die Patientin verstorben ist. Nicht immer wird es möglich sein, diesen Wünschen zu entsprechen, denn die zeitlichen Kapazitäten sind begrenzt: Wie viel Zeit kann ein Spitalseelsorger, eine Spitalseelsorgerin einem Patienten oder dessen Angehörigen schenken, ohne dass andere Patienten und deren Bedürfnisse zu «kurz» kommen? Zudem: Wo liegen die Grenzen seiner Zuständigkeit und wo beginnt etwa die Verantwortung der Ortsseelsorge? Gerade für Menschen, welche nur ein sehr loser Kontakt zur Ortspfarrei verbindet, braucht es viel Fingerspitzengefühl, damit sich die Betroffenen nicht vor den Kopf gestossen fühlen, wenn der Spitalseelsorger auf seine Kompetenzen und zeitlichen Möglichkeiten verweist.
Zwischen der eigenen Agenda und der Agenda des Patienten oder Familienangehörigen
Seelsorgende verfolgen in ihrer Arbeit anspruchsvolle und hohe Ziele: sie wünschen, dass ihr Gegenüber im Gespräch Trost und Erleichterung erfährt, dass er/sie sich sicherer im Spital fühlt, mit sich und Gott in Kontakt kommen kann. Wo Unordnung und Chaos herrscht, möchten sie mithelfen, Gedanken und Gefühle zu ordnen, Hoffnungslosigkeit auszuhalten. Doch was, wenn Patienten und Angehörige andere oder sich widersprechende Ziele verfolgen? Wenn beispielsweise Angehörige untereinander verfeindet sind, Neid und Missgunst vorherrschen und versucht wird, den Seelsorgenden auf «ihre» Seite zu ziehen. Oder wenn Angehörige blindlings in Überforderungssituationen rennen, ohne Wille und Kraft, sich selbst Sorge zu tragen. Schliesslich, wenn Seelsorgende mit Schimpf und Schande empfangen werden, sie für alle Missetaten der Kirche und Religion verantwortlich gemacht und «zum Teufel» gejagt werden. Wie viel Hartnäckigkeit und Standhaftigkeit seitens des Seelsorgers ist notwendig, um drohendes Unheil abzuwenden? Wann gilt es, die Meinung und das Verhalten des Gegenübers zu akzeptieren, ohne sich darin wieder zu finden, und wann ist es notwendig «Widerspruch» einzulegen
Zwischen Seelsorgegeheimnis und Teamplay
Gerade im Betreuungskonzept Palliative Care ist Seelsorge eine feste Grösse im Reigen der verschiedenen Disziplinen. Medizin, Pflege, Psychologie, Seelsorge, Sozialarbeit etc. versuchen gemeinsam, den Patienten / die Patientin und seine Angehörigen «ganzheitlich» wahrzunehmen, mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen so gut es geht aufrechtzuerhalten oder gar zu fördern.
Eine solche Zusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn sich alle Beteiligten auf gemeinsame Spielregeln des «Miteinanders» einigen, sich regelmässig austauschen und ihren Standpunkt einbringen. Schliesslich gilt es, die gemeinsam getroffenen Entscheidungen und Massnahmen in der Patientenakte zu dokumentieren.
Wenn Seelsorgende als gleichwertige Teamplayer wahr- und ernstgenommen werden möchten, müssen sie sich ebenfalls an diesem Austausch beteiligen und ihre Sichtweise und ihre Wahrnehmung einbringen. Auf der anderen Seite vertrauen Patientinnen und Patienten den Seelsorgenden mitunter Geschichten, Hintergründe und Erfahrungen an, welche sie nicht in ihrer Krankenakte wiederfinden möchten. Wie viel Offenheit und Transparenz verträgt sich mit dem Seelsorgegeheimnis, das vielen Seelsorgenden am Herzen liegt? Und kann Seelsorge für sich mit Hinweis auf dieses Seelsorgegeheimnis eine Sonderrolle beanspruchen? Isolde Karle (2018) macht beispielsweise auf die Möglichkeit aufmerksam, dass der Spitalseelsorgende dokumentiert, «dass ein Gespräch stattgefunden hat und ob es eine Fortsetzung finden soll oder nicht» (S. 65).
Die beschriebenen Spannungen lassen sich oft nicht einfach und vollständig auflösen. Wichtig ist, dass sich die Seelsorgenden klar sind über ihre Rollen, Zuständigkeiten, Grenzen und Möglichkeiten. Eine offene und transparente Kommunikation mit allen Beteiligten dürfte mithelfen, Konflikten vorzubeugen und Spannungen abzubauen.
Verwendete Literatur
Lindholm, K. (2017). Handling Challenges lnherent in the Hospice Chaplain Role. Journal of Health Care Chaplaincy, 1-20 (Published online: 25 Oct 2017)
Karle, Isolde (2018). Chancen und Risiken differnter Systemlogiken im Krankenhaus: Perspektiven einer Kooperation von Seelsorge und Spiritual Care. Spiritual Care. Zeitschrift für Spiritualität in den Gesundheitsberufen, 7 (1), 57-62.
Morgenthaler, C. (2013). Systemische Seelsorge: Impulse der Familien-und Systemtherapie für die kirchliche Praxis. Kohlhammer Verlag.
29. November 2017
Tod und Sterben in der Schweiz – zentrale Ergebnisse des nationalen Forschungsprogramms NFP 67
Wie geht Sterben im Gefängnis? Oder welche Besonderheiten gilt es zu berücksichtigen, wenn Menschen mit einer intellektuellen Behinderung sterben? Solchen und vielen weiteren Fragen zum Thema Sterben und Tod in der Schweiz ging das Nationale Forschungsprogramm NFP67 ...
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Förderung von Palliative Care
Palliative Care, das Versorgungskonzept, welches sich Menschen am Lebensende und unheilbar kranken Menschen und ihren Angehörigen annimmt und ein «würdiges Sterben» ermöglichen möchte, konnte zwar in den letzten Jahren in der Schweiz vermehrt Fuss fassen. Medizin, Pflege, Sozialarbeit, Seelsorge etc. versuchen dabei in interdisziplinären Zusammenarbeit, die Lebensqualität von schwer kranken Menschen zu fördern/erhalten. Nicht immer klappt es jedoch reibungslos zwischen den verschiedenen Akteuren und den beteiligten Institutionen. So gibt es bei der Koordination und Zusammenarbeit Verbesserungsbedarf, so die Ergebnisse.
Der Hausarzt als Dreh- und Angelpunkt
Zumeist koordiniert der Hausarzt / die Hausärztin die verschiedenen Akteure am Lebensenden. Dabei fühlen sich die Hausärzte kompetent bei medizinischen und pflegerischen Fragen, bei religiös-spirituellen, ethischen oder juristischen Fragen (z.B. Fragen der Sterbehilfe) kommen sie jedoch an ihre Grenzen und sind unsicher.
Sterbe- und Suizidhilfe
Fragen um selbstbestimmtes Sterben wurden in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert. Die Daten zeigen, dass die Suizidhilfe den vergangenen Jahren zugenommen hat. Es sind mehrheitlich Frauen im höheren Alter und aus städtischen Gebieten, welche am Lebensende Suizid begehen.
Sterbeort
Dreiviertel aller Schweizer und Schweizerinnen möchten am liebsten zuhause sterben. Leider sieht die Realität anders aus. An erster Stelle wird im Heim und an zweiter im Spital gestorben. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in der Deutschschweiz mehr Menschen zuhause sterben als in der Romandie und dem Tessin. Weitere Faktoren, welche das Sterben zuhause fördern sind der Besitz von Eigenheim, eine höhere Ausbildung, eigene Kinder oder das Geschlecht. So sterben Männer häufiger zuhause als Frauen.
Dieses letzte Ergebnis dürfte damit zu tun haben, dass in der Regel Männer durchschnittlich etwas älter sind als ihre Partnerinnen und das Durchschnittsalter bei den Männern tiefer liegt als bei den Frauen. Zudem ist Care-Arbeit, d.h. die Pflege und Betreuung von nahestehenden Menschen immer noch vorwiegend Frauenarbeit. Die Folge: Frauen pflegen vielfach ihre Männer bis zu deren Tod. Wenn jedoch die Frauen dann selbst schwer erkranken und die Kinder sie nicht unterstützen können, müssen sie an ihrem Lebensende oft ins Heim oder ins Spital.
Ein auffälliges Ergebnis ist: Jeder sechste Patient / jede sechste Patientin stirbt in einem Heim oder Spital während einer «kontinuierlichen tiefen Sedierung» (S. 8). Dieser Umstand führt zu rechtlichen und ethischen Fragen, welche weiter geklärt werden sollten.
Kosten
Sterben im Spital ist am teuersten, besonders bei Patienten mit einer Krebserkrankung (wahrscheinlich bedingt durch die teuren Medikamente). Doch die Ergebnisse zeigen auch: Die Schweizer Bevölkerung ist erfreulicherweise solidarisch mit Menschen am Lebensende. Sie finden, «dass die Gesundheitsversorgung eines Patienten am Lebensende für den Erhalt eines zusätzlichen Lebensjahres bei bester Gesundheit 200’000 Franken kosten dürfe» (S. 15). Bei schwer kranken Kindern und Jugendlichen ist die finanzielle Solidarität noch grösser.
Existentielle sowie religiös-spirituelle Fragen am Lebensende
Neben medizinischen und pflegerischen Fragen stellen sich für Patienten und Angehörige am Lebensende auch existentielle und religiös-spirituelle Fragen. Gerade in Pflegeheimen ist der Wunsch, möglichst bald zu sterben, verbreitet. Evtl. fühlen sich die Betrofenen nur noch als Last für andere oder sehen den Lebenssinn nicht mehr. Bei solchen Fragen nach Lebenssinn und dem Wozu kann Seelsorge – wenn sie vom Gegenüber akzeptiert ist, genügend Zeit hat und als kompetent wahrgenommen wird – eine wichtige begleitende Stütze sein.
Synthesebericht
Schweizer Nationalfond (2017). Synthesebericht NFP 67 Lebensende. Bern.
27. November 2017
Braucht man zum Sterben einen Arzt?
Braucht man zum Sterben einen Arzt? Was kann ich sagen, wenn jemand gestorben ist? So lauten zwei Titel von Kurzfilmen, welche das Projekt «Sarggeschichten» produzierte. Eingängig und ganz praktisch geben die Filme Antworten auf den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer.
So helfen Floskeln wie «Das wird schon wieder» oder «Da wirst du ja nie darüber hinwegkommen» Trauernden nicht weiter. Besser ist ehrliche Anteilnahme und das Anbieten von praktischer Unterstützung. Auch das Weg-Reden von Trauer im Sinne von «Du solltest froh sein, dass er nicht mehr leiden muss» ist kontraproduktiv. Lieber dem Trauernden von den eigenen Erinnerungen mit dem Verstorbenen erzählen, so die Filmemacher.
Die Filme richten sich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene.
Das amerikanische HealthCare Chaplaincy Network und die Spiritual Care Association veröffentlichten im September 2017 eine Handreichung für Ärzte rund um die Fragen der religiös-spirituellen Begleitung. Denn gerade in Zeiten von Krankheit werden für manche Menschen existentielle und religiös-spirituelle Fragen wichtig, beispielsweise die Frage nach dem, was das Leben lebenswert macht. Zudem können religiöse Werte auch medizinische Entscheidungen beeinflussen.
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Auch wenn viele Patienten gerne über ihre religiös-spirituellen Fragen mit ihren Ärzten sprechen möchten, kommen solche Gespräche nicht immer zustande. Mögliche Gründe sind z.B. Mangel an Zeit oder fehlendes Wissen seitens des medizinischen Personals.
Hier möchte die Handreichung Abhilfe schaffen. Neben einem Überblick zum gegenwärtigen Forschungsstand, werden Ärztinnen und Ärzte vier Fragen mit auf den Weg gegeben, welche Diskussionen über religiös-spirituelle Fragen im medizinischen Alltag vereinfachen sollen. Während die erste Frage sich nach der Religion, dem Glauben und dem Lebenssinn des Gegenübers im Allgemeinen erkundigt, gehen die weiteren Fragen der Wichtigkeit des Glaubens im Leben des Patienten / der Patientin und dem Eingebunden-Sein in einer religiösen Gemeinschaft nach. Zuletzt wird gefragt, wie das medizinisch-pflegerische Personal mit den religiös-spirituellen Wünschen und Bedürfnissen der Patientin / des Patienten umgehen soll. Die Fragen geben erste Anregungen, sich in der Praxis dem Thema anzunehmen.
Abgeschlossen wird die Handreichung mit einer Darstellung der Spitalseelsorge sowie Kriterien, wann diese beigezogen werden sollte.
Das Merkblatt steht hier zum Download bereit (in englischer Sprache)
Literatur
Marin, Deborah B., Sharma, Vansh, & Fleenor, David (2017). Spiritual Care and Physicians: Understanding Spirituality in Medical Practice. HealthCare Chaplaincy Network, Spiritual Care Association.
Die Eltern sind zentrale Bezugs- und Begleitpersonen während eines Spitalaufenthaltes ihres kranken Kindes. Spitalseelsorgende unterstützen sie in dieser Situation: Sie helfen z.B. mit, mit den sich ergebenden Belastungen umzugehen. Sie versuchen, die Hoffnung gemeinsam mit den Eltern aufrechtzuerhalten oder helfen mit, schwierige Entscheidungen zu treffen.
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Dieses seelsorgliche Engagement wird von den meisten Eltern geschätzt. Doch nicht nur die Eltern profitieren von diesem Dienst. Das ganze Spital gewinnt durch die seelsorgliche Arbeit. Denn die Zufriedenheit der Eltern mit dem Spitalaufenthalt generell wird durch die seelsorgliche Präsenz positiv beeinflusst – so die Ergebnisse einer aktuellen amerikanischen Studie mit 74 Eltern.
Literatur
Donohue, PK, Norvell, M, Boss, RD, Shepard, J, Frank, K, Patron, C, & Crowe, TY 2nd (2017). Hospital Chaplains: Through the Eyes of Parents of Hospitalized Children. J Palliat Med [Epub ahead of print, 2017 Jun 26].